
Besucher, die im Sommer 2020 den Berliner Hamburger Bahnhof besuchten, wurden von einer Farbflut überrascht. It Was not Us, ein riesiges skulpturales Gemälde von Katharina Grosse, explodierte aus den Begrenzungen der alten Ausstellungshalle und ergoss sich auf das Museumsgelände und über die Fassade der angrenzenden Rieckhallen. “Ich male mich aus dem Gebäude heraus”, sagte der Berliner Künstler.
Grosse hatte Wochen damit verbracht, diese riesige, vielfarbige Installation zu schaffen, die nicht auf das Innere der Struktur beschränkt war, und nach Wegen gesucht, sich ins Freie auszudehnen. „Grosses Kunst nutzt Farbe, um Grenzen zu überschreiten“, argumentiert Julia Eckert, Professorin für Politische Anthropologie an der Universität Bern. “Sie ersetzt alte Kontexte durch neue in Grenzzonen.” Was vorher da war, verschwindet nicht; es bleibt als Relikt einer vergangenen Zeit sichtbar, die ihre Bedeutung verloren hat. Als Ergebnis des Prozesses entwickeln sich fantastische Wesen.”
DRUCK DER SPRITZPISTOLE AUFWENDEN
Dies war nicht Grosses erster Vorstoß in die großformatige Malerei. 2016 zeigte sie im Museum Frieder Burda in Baden-Baden viele großformatige und farbenprächtige Tafelbilder. Zur Herstellung der teilweise über 30 Quadratmeter großen Skulpturen verwendete sie meist eine kompressorbetriebene Sprühkanone. „Mich beschäftigt vor allem die Frage: Wie kann ein Gemälde heute aussehen, welche Dimensionen kann es haben und in welche Settings kann es eingetaucht werden?“ sagte sie damals dem Deutschlandfunk. Grosse ist auch kein Unbekannter darin, ganze Räume oder Outdoor-Locations in Kunstwerke zu verwandeln. Sie hat Privatwohnungen, Cafeterias und Treppenhäuser sowie Trümmer und massive Erdhügel gemalt. “Das riesige Gemälde oder die Kraft des Gemäldes, ein ganzes Gebiet zu definieren und sich dennoch in Richtung Architektur zu bewegen, ist für mich absolut interessant.”
PREISGEKRÖNTER KÜNSTLER UND GEFRAGTER PROFESSOR
Der Künstler wurde in Freiburg im Breisgau geboren und an den Kunsthochschulen in Münster und Düsseldorf ausgebildet. Sie präsentiert ihre Arbeiten nun in weltweiten Ausstellungshallen und Institutionen wie dem Boston Museum of Fine Arts, dem Baltimore Museum of Art, der Biennale di Venezia und dem PS1 Rockaway des MoMA! Programm in Fort Tilden in New York.
Grosse erhielt unter anderem den Villa Romana-Preis, das Karl-Schmidt-Rottluff-Stipendium, den Fred-Thieler-Preis und den Oskar-Schlemmer-Preis. Die Bundesregierung hat sie in die Jury für Stipendien (2020-2023) der Villa Massimo in Rom, der Casa Baldi in Olevano und der Cité Internationale des Arts in Paris gewählt. Von 2000 bis 2009 war sie Dozentin an der Kunsthochschule Weißensee in Berlin, danach von 2010 bis 2018 an der Kunstakademie Düsseldorf.