Die meisten Menschen erwarten, dass die Arbeitsumgebung eines Tischlers aus einer Arbeitsstation, vielleicht einer automatischen Säge und viel Sägemehl besteht. Er plant, heftet und schneidet, um so etwas wie einen Schrank zu bauen. Marius Baschien, Schreinerlehrling in Nordrhein-Westfalen, beginnt seinen Arbeitstag jedoch ganz anders: Er sitzt an einem weißen Tisch vor einem PC. Der heutige Unterrichtsplan sieht vor, dass er ein Longboard – ein Skateboard – baut. Der Computer modelliert für ihn Materialeigenschaften oder speichert Schnittzeichnungen in maschinenlesbaren Dateien.
Herr Baschien ist Mitglied der Ausbildungsinitiative „digiTS“, die sich mit den Schwierigkeiten von Industrie 4.0 für die duale Berufsausbildung in Deutschland auseinandersetzen will. In Deutschland werden die meisten Ausbildungsberufe im dualen System unterrichtet: Die Ausbildung findet parallel im Betrieb und in der Berufsschule statt, sodass die Auszubildenden sowohl praktische als auch theoretische Kenntnisse erwerben können. Im digiTS-Projekt sind alle Interessensvertretungen der dualen Tischlerausbildung vertreten: die überbetriebliche Lehrwerkstatt, die Zimmerer-Innung, das Berufskolleg und natürlich die Betriebe. Ein Webcast auf foraus.de, der Lehrerseite des Bundesinstituts für Berufsbildung (BIBB), zeigt, wie junge Menschen die gesamte digitale Produktionskette vom ersten Entwurf bis zum fertigen Longboard kennenlernen. Die Daten aus ihren Schnittzeichnungen in der Schreinerei gehen beispielsweise an den Shaper, der die Furniermuster per Vektorgrafik an den Lasercutter schickt, während der für ein Longboard so wichtige Bumper aus dem 3D-Drucker kommt . Nur wenn die Jugendlichen Bauteile von Hand überarbeiten, fällt kaum Sägemehl zu Boden.
EIN ARBEITER IN EINER FABRIK WIRD PROZESSARCHITEKT
Das Beispiel zeigt, wie Arbeitsprozesse, aber auch Verkaufstaktiken und Dienstleistungen zunehmend über netzwerkfähige Infrastrukturen gesteuert werden. Produktwissen verliert an Boden gegenüber Prozesswissen. Die Fähigkeit von kompetenten Personen, sich darauf einzustellen, wird für Unternehmen in Zukunft sehr wichtig sein. „Aktuell beobachte ich eine hohe Dynamik in der Arbeitswelt, die möglicherweise auch mit gesellschaftspolitischen Forderungen zusammenhängt“, sagt Dr. Monika Hackel, Leiterin der Abteilung Struktur und Ordnung der Berufsbildung im BIBB. Unterstützt wird diese Dynamik durch die Digitalisierung. Das Ziel der Berufsbildung ist es, neue Lösungen anzubieten, um diesen Fortschritten zu begegnen.”
Das Internet verbindet derzeit schätzungsweise 20 Milliarden Geräte und Computer; bis 2030 wird diese Zahl auf fast eine halbe Billion steigen. Der Zukunftsforscher Ayad Al-Ani vom Berliner Alexander von Humboldt-Institut für Internet und Gesellschaft erklärte Anfang 2018 in einem Interview mit der Neuen Osnabrücker Zeitung: „Der Fabrikarbeiter, der heute am Fließband arbeitet, wird künftig zum Architekten von ein Produktionsprozess, der Mensch und Maschine vernetzt.“ „Jenseits der Hierarchie erfordert die Arbeitsorganisation über Menschen und Algorithmen soziale und technische Fähigkeiten.“ Sie müssen nicht alles im Detail wissen; Sie müssen es nur koordinieren und anwenden.”